Deutsches Schadensersatzrecht

Die folgende Darstellung soll nur einen Überblick geben und kann eine genaue Prüfung der Sach- und Rechtsfragen im Einzelfall nicht ersetzen.

Wie unter der Rubrik zum internationalen Luftverkehrsrecht ausgeführt, kennen die relevanten Gesetze und Abkommen Haftungshöchstsummen, jenseits derer der Luftfrachtführer nur unter bestimmten Voraussetzungen haftet. Daraus kann nicht der Schluss gezogen werden, dass diese Beträge stets gezahlt werden müssen. Vielmehr bleibt die Pflicht eines jeden Anspruchstellers, die Höhe des ihm entstandenen Schadens nachzuweisen. Dies gilt sowohl innerhalb eines Gerichtsverfahrens wie in außergerichtlichen Verhandlungen.

Bei einem internationalen Flug ist eine der schwierigsten Fragen in diesem Zusammenhang diejenige des anzuwendenden (nationalen) Rechts. Generelle Aussagen dazu sind hier kaum möglich, wenn die Passagiere einer Fülle von Nationalitäten angehören. Weiter kommt es häufig auf das Zusammenspiel der Internationalen Privatrechte der betroffenen Länder an.

Nach dem Deutschen Internationalen Privatrecht gilt der Grundsatz, dass dasjenige Recht zur Anwendung kommt, in dessen Geltungsbereich die Rechtsgutverletzung (also der Unfall) eingetreten ist. Dazu gibt es aber zahlreiche Einschränkungen und Ausnahmen, die stets nur unter dem Gesichtspunkt eines Gesamtbildes beurteilt werden können.
Daher sollen hier nur drei (nationale) Aspekte erwähnt werden, die bei einem Inlandsflug stets, bei einem internationalen Flug möglicherweise zur Anwendung kommen:

Unterhaltsausfall, Haushaltsführung

Nach §§ 844, 845 BGB sind bei Tötung einer Person die Verwandten schadensersatzberechtigt, denen der Getötete gegenüber unterhaltsverpflichtet war, also in erster Linie Kinder und (geschiedene) Ehegatten. Hier wird – für die Zukunft – der Betrag ermittelt, den der Getötete – wäre der Unfall nicht passiert – an Unterhalt zu zahlen gehabt hätte.

Hatte der Getötete seinen Familienangehörigen den Haushalt geführt, gehört zu dem zu ersetzenden Schaden aus dasjenige, was die Familie in der Zukunft für Fremdhilfe aufzuwenden hat.

Schmerzensgeld

Traditionell waren in Deutschland – anders als beispielsweise in den USA – die Möglichkeiten zur Erlangung von Schmerzensgeld sehr beschränkt. Noch im Jahr 2002, bei der grundlegenden Reform des Schuldrechts, stand der Gesetzgeber auf dem Standpunkt, Angehörige sollten aus dem Tod keine finanziellen Vorteile ziehen, die über den Ersatz realer wirtschaftlicher Schäden (z. B. entgangener Unterhalt, Beerdigungskosten) hinausgehen.

Damit blieb bis 2017 die Situation in Deutschland anders als in vielen anderen Ländern, auch denen der europäischen Union (zum Rechtsvergleich siehe die Publikation von Jeinsen/Konert im McGill-Handbuch, siehe „Publikation“).

Mit der Gesetzesänderung vom 17.07.2017 hat aber Deutschland das Recht an dasjenige anderer europäischer Länder angeglichen und den neuen § 844 Abs. 3 BGB geschaffen. Danach gibt es unter besonderen Voraussetzungen auch in Deutschland ein gesetzlich bestimmtes Angehörigenschmerzensgeld.

Allerdings: In Deutschland zu zahlende Beträge sind bei Weitem nicht so hoch wie in anderen Ländern, beispielsweise den USA. Das hat mit dem dortigen komplett anderen Rechtssystem zu tun: Beispielsweise ist die Bestrafung von Tätern in Deutschland Teil des Staatsprivilegs, in den USA gehört es unter dem Schlagwort „punitive damages“ zum Teil des Schadensersatzes. Dieser grundlegende Unterschied ist geblieben und führt beispielsweise nach wie vor dazu, dass amerikanische Urteile, die punitive damages aussprechen, in Deutschland nicht vollstreckt werden können. Auch führt das deutsche Sozialversicherungssystem zu einer Absicherung von Familien in Krisenfällen, die es in den USA nicht gibt. Als Beispiel mag die heftige Diskussion dort über die Einführung und Wiederabschaffung einer gesetzlichen Krankenversicherung („Obama Care“) dienen. Faktisch ist es so, dass Familien von demjenigen, was sie von einem Schädiger erhalten, für den Rest ihres Lebens auskommen müssen, wenn beispielsweise die Arbeitskraft behindert ist. Das ist in Deutschland komplett anders.

Aus diesen Gründen wird das Angehörigenschmerzensgeld nach § 844 BGB in Deutschland sehr begrenzt sein. Aus der Regierungsbegründung ergibt sich, dass der Gesetzgeber von einem Betrag von 10.000,00 EUR pro nahem Angehörigen ausgeht. Es ist zu vermuten, dass sich die Justiz auf diese Zahl einpendeln wird.

Versicherungsrechtliche Aspekte

Geschieht ein Unglücksfall, treten häufig eine Reihe von Versicherungen ein, und zwar:

gesetzliche, wie Krankenversicherung, Rentenversicherung, Berufsgenossenschaft
sowie private, wie Lebensversicherung, Unfallversicherung, Reisegepäckverlust etc.

Hierzu gilt im Prinzip noch weltweit der Grundsatz, dass Eigenvorsorge dem Schädiger nicht zugute kommen soll. Das bedeutet: Leistungen des privaten Versicherers aus Unfall- und Lebensversicherung werden auf die Haftung des Schädigers nicht angerechnet.

Anders ist es bei Sachversicherungen (z. B. Reisegepäck). Hier hat der Geschädigte nach Leistung durch den Versicherer keinen Schaden mehr, den er ersetzt verlangen kann. Hingegen hat der Versicherer einen Ersatzanspruch gegen den Schädiger.

Ähnliches gilt für den Bereich der Sozialversicherung. Derartige Leistungen werden in voller Höhe auf den Ersatzanspruch des Geschädigten gegenüber dem Luftfrachtführer angerechnet. Dies kann dazu führen, dass für den Angehörigen aufgrund der Zahlungen, etwa der Berufsgenossenschaft, kein Schaden entsteht. Soweit Sozialversicherer Leistungen erbringen, haben sie gleichfalls gegenüber dem Schädiger einen direkten Ersatzanspruch.