Internationales Luftverkehrsrecht
Die folgende Darstellung soll nur einen Überblick geben und kann eine genaue Prüfung der Sach- und Rechtsfragen im Einzelfall nicht ersetzen.
Stets dann, wenn der Flug eines Passagiers über das Territorium eines Landes hinausgehen soll, handelt es sich um einen Fall des internationalen Luftverkehrs. Insoweit ist die Abgrenzung zu einem nationalen Flug vorzunehmen, bei dem Abflug- und Bestimmungsort im Territorium der Bundesrepublik Deutschland liegen (Einzelheiten dazu s. unter „Nationales Luftverkehrsrecht“). Für die Prüfung von Schadensersatzansprüchen kommt es sehr darauf an, in welchem Land die betroffene Fluggesellschaft ihren Sitz hat und was für ein Ticket wo gekauft wurde.
Grundlage –auch der Haftung bei Unfällen – war bei internationalen Flügen das aus dem Jahre 1929 stammende WA mit seinen zahlreichen Zusatzabkommen und –absprachen. Diese Grundlage galt bis in die letzten Jahre für die Haftung der Fluggesellschaften aus den meisten Ländern der Erde.
Die Haftungsregeln des WA sind streng und wenig zugunsten der Passagiere bzw. der Angehörigen ausgestaltet. Daher wurde es seit vielen Jahren als nicht mehr zeitgemäss angesehen. Die bedeutenden internationalen Fluggesellschaften reagierten zunächst damit, sich 1995 intern auf erleichterte und großzügigere Haftungsmaßstäbe zu verständigen (IATA Intercarrier Agreement). Hier war stets zu prüfen, ob die betroffene Fluggesellschaft dem Abkommen beigetreten war.
Am 28. Mai 1999 wurde in Montreal eine neue Konvention unterzeichnet, die die Haftung der Luftverkehrsunternehmen grundlegend neu regelt. Es musste – um zu international verbindlichem Recht zu werden – in den einzelnen Vertragsstaaten ratifiziert werden und trat international anstelle des Warschauer Abkommens am 4.11.2003 in Kraft, nachdem die USA als dreißigster Vertragsstaat das Abkommen ratifiziert hatte. Die Länder der Europäischen Union haben dies im April 2004 vorgenommen, so dass das Abkommen seither auch deutsches verbindliches Recht ist.
2007 ist das Abkommen von 77 Staaten ratifiziert worden, eine aktuelle Liste der Vertragsstaaten findet sich unter: http://www.icao.int/icao/en/leb/mtl99.pdf
Soweit Länder dem Abkommen nicht beigetreten sind, ist zu klären ob sie Vertragsstaaten des Warschauer Abkommens bzw. seiner Zusatzabkommen sind. Dann gelten für deren Fluggesellschaften noch diese alten Regeln. Es gibt auch Länder, die sich überhaupt keinem Abkommen angeschlossen haben, für deren Fluggesellschaften gilt dann das jeweilige nationale Recht. Für Passagiere, die von Deutschland aus fliegen, sind diese Fragen zumeist unproblematisch: für die Haftung einer Airline, die in einem Staat ansässig ist, der dem Montrealer Abkommen nicht beigetreten ist, gelten dessen Regeln zumeist aufgrund der Tatsache, dass der Abflugort in Deutschland liegt.
Nach dessen Bestimmungen haftet der Luftfrachtführer (Vertragspartner des Reisenden) grundsätzlich unbeschränkt für Schäden aufgrund von Tod und Körperverletzung, Verspätung sowie Verlust oder Beschädigung von Reisegepäck.
kein Verschulden
wenn der Luftfrachtführer in einem Prozess beweisen kann, dass der Unfall geschehen ist, ohne dass seinen Mitarbeitern auch nur der Vorwurf der Fahrlässigkeit gemacht werden kann
Verursachung durch andere:
wenn er beweist, dass der Unfall durch Dritte rechtswidrig und schuldhaft verursacht wurde (etwa bei Terroranschlägen).
In diesen Fällen begrenzt sich die Haftung für den gesamten Unfall auf 100.000 Sonderziehungsrechte (SZR)*
Haftung bei Verspätungen
Weiter haftet der Luftfrachtführer dem Passagier, wenn dieser aufgrund einer verspätete Beförderung einen Schaden erleidet. Die Haftung ist ausgeschlossen, wenn der Luftfrachtführer alles Zumutbare versucht hat, um die Verspätung zu vermeiden. Im Regelfall ist die Haftung auf 4.150 SZR beschränkt; es sei denn, der Luftfrachtführer handelt vorsätzlich oder grob fahrlässig.
Haftung bei Gepäckschäden
Letztlich haftet der Luftfrachtführer auch, wenn Gepäck beschädigt wird, verloren geht oder verspätet ankommt. Dazu gelten im Prinzip die bei „Verspätungen“ erläuterten Grundsätze, wobei die die Haftung auf 1.000 SZR beschränkt ist. Die Haftung ist ausgeschlossen, wenn de Reisende einen Gepäckschaden nicht unverzüglich meldet.
Verjährung – Vorsicht!
Während Ansprüche nach dem BGB normalerweise 3 Jahre nach Kenntnis vom Schadensfall verjähren, ist die Geltendmachung von Schadensersatz gegenüber dem Luftfrachtführer ausgeschlossen, wenn dies nicht innerhalb von 2 Jahren geschieht, nachdem die zugrunde liegende Beförderung beendet wurde oder beendet worden wäre.
Gerichtsstand
Das Abkommen erlaubt, einen Prozess gegen den Luftfrachtführer wahlweise vor Gerichte verschiedener Staaten zu bringen. Die richtige anwaltliche Beratung und Entscheidung zu dieser Frage ist häufig Grundlage einer erfolgreichen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen.
Warschauer Abkommen – Grundsätze der Haftungsregeln
Soweit ausnahmsweise auf einen internationalen Flug noch das Warschauer Abkommen anzuwenden ist, sind die Rechte der Opfer bzw. von deren Hinterbliebenen sehr viel beschränkter. Zum Beispiel gibt es keine Zahlungen als erste Hilfe.
Für die Verletzung oder den Tod eines Passagiers haftet der Luftfrachtführer unter dem Gesichtspunkt der „Gefährdungshaftung“ zunächst und ohne weiteres nur bis zu einem Schadensbetrag von ca. 27.400 € pro Passagier; ein Betrag, der nach allen Erfahrungen in den meisten Fällen bei weitem nicht ausreicht, um den entstandenen Schaden auszugleichen.
Soll darüber hinaus Ersatz geleistet werden, muss dem Luftfrachtführer nachgewiesen werden, dass er oder „seine Leute“ (das sind Hilfspersonal bzw. –firmen) durch praktisch vorsätzliche Handlungsweisen den Schaden herbeigeführt haben (Art. 25 WA). Der erforderliche Haftungsmaßstab geht dabei deutlich über dasjenige hinaus, was das deutsche Recht unter grober Fahrlässigkeit versteht. Um einen solchen Beweis führen zu können, muß mit Hilfe erfahrener Experten Unfallverlauf und damit –ursache genauestens und mit häufig erheblichem Aufwand untersucht werden. Die offiziellen Unfall-Untersuchungsberichte helfen hier nur eingeschränkt weiter, da die Aufgabenstellung der Untersuchungsbehörden eine andere ist.
Höhe der Schadensersatzansprüche
Es kann aber nicht unterstellt werden, dass die vorgenannten Beträge von in jedem Fall ausgezahlt werden. Denn diese Zahl hat nur Bedeutung bei der Abgrenzung der Gefährdungs- von der Verschuldenshaftung. In jedem Fall muss also der Nachweis eines entsprechenden Schadens erfolgen (s. dazu Rubrik 03: Deutsches Schadensersatzrecht).
*Das ist eine Kunstwährung des Internationalen Währungsfonds, die sich aus einem Korb verschiedener Währungen zusammensetzt. Ein SZR entspricht derzeit etwa 1,20 €. Die tagesaktuellen Umrechnungskurse finden Sie unter http://www.imf.org/external/np/fin/data/rms_five.aspx